Mittwoch, 15. Dezember 2010 10:20
Freitag – endlich Feierabend. Warum bin ich eigentlich immer der Letzte, der das Büro verlässt, nachdem sich die ersten Mitarbeiter bereits seit 14.00 Uhr peu a peu verabschiedet hatten? Seit Stunden ist es nun schon am Schneien und ich brauchte mit dem Auto weit über eine Stunde, bis ich zu Hause war. Endlich, Auto in die Garage,und ich öffnete mit einem zwar etwas müden aber dennoch halbwegs fröhlichen Hallo die Haustür. Hallo, kam es mir aus einem Irgendwo der Wohnung entgegen. Mantel aus, Schuhe aus, ein kühles Bier aus dem Kühlschrank und ich ließ mich in den Sessel fallen. Puh, wie gut,dass das Wochenende ansteht. Dann kam Chrissy,küsste mich zur Begrüßung und wollte mit dem Wort: Naaa? wohl wissen,wie es mir geht. Was für ein Tag sagte ich nur und trank nahm einen langen Schluck aus dem Glas. Crissy ist meine Freundin, Lebenspartnerin und wir wohnen nun schon seit mehr als sieben Jahren zusammen. Irgendwie passen wir gut zueinander, wir lieben uns und lieben das Leben. Dass Chrissy Lehrerin ist, bekomme ich hin und wieder zu spüren, da nach ihrer Ansicht so manche “Arbeit” die Note mangelhaft verdient habe – aber die “Versetzung” war noch nie gefährdet. Du, sagte sie, wollen wir heute Abend auf den Weihnachtsmarkt gehen? Wir haben doch nichts vor,und am Wochenende kommt meine Schwester. Heute Abend? Fast schon erschrocken und hilflos und um Zeit für die Antwort zu gewinnen,wiederholte ich einfach ihre Frage. Und das bei diesem Wetter, ergänzte ich noch als Hilfsargument. Chrissy verzog etwas das Gesicht und empfand meine Nichtantwort wohl als eine Absage. Du hast es mir aber versprochen, und am Sonntag ist schon der 3. Advent. Schweigen. Mein Antwortpool bestand aus einem großen Loch und viele Gedanken gingen mir in Millisekunden durch den Kopf. Stimmt, es hatte es ihr versprochen,aber das war im November und im November,da war der Weihnachtsmarkt und Weihnachten überhaupt noch ganz weit weg. Da konnte ich sozusagen ja noch gut was versprechen. Oder hatte ich da einfach nur was dahin gesagt? Eigentlich mag ich Weihnachtsmärkte überhaupt nicht und bei diesem Wetter erst recht nicht. Wenn ich ja sage, meine ich das wirklich so, oder tue ich es gegen meinen Willen? Während diese Gedanken durch meinen Kopf waberten,hörte ich mich plötzlich sagen: OK, wir gehen. Echt, wirklich, ich freu mich, sagte sie, allerdings entdeckte ich in ihren Augen doch so einen Hauch von Ungläubigkeit. Ich mach mich noch schnell fertig, rief sie und war im Bad verschwunden. Mir blieb völlig unklar, warum ich nun doch zum Weihnachtsmarkt wollte – und im Bauch spürte ich irgendwie,dass ich wirklich wollte und nicht sollte. Ich wusste auch, dass der Beriff “schnell” im Zusammenhang mit Bad und fertig machen bei Chrissy nicht die Bedeutung hat, die diesem Begriff eigentlich zustehen und so konnte ich in aller Ruhe und Gemütlichkeit mein Bier austrinken. Fertig, wir können, hörte ich sie sagen und schon waren wir im kleinen Flur,um die Schuhe anzuziehen. Ich würde an deiner Stelle und bei diesem Schnee nicht die Halbschuhe anziehen, erklärte sie mir, während wir Rücken an Rücken standen und sie ihre Stiefel über ihre Jeans zog. Recht hat sie ja, aber irgendwie fühlte ich mich doch belehrt. Ich zog die Winterschuhe an und spürte wie ihre vermeintliche Belehrung in mir immer mehr wie fürsorglich oder als ein guter Ratschlag wurde. Wie zufällig berührten wir uns beim Aufrichten und bei dem Blick in den Spiegel, stockte mir fast der Atem. Ich sah sie hinter mir: Chrissy, meine Chrissy, war sie das wirklich? Sie sah richtig süß aus, irgendwie flott, locker, fast kindhaft. Die kurze, gefütterte Winteracke machte sie irgendwie so knubbelig, so jugendlich. Ihre Wollmütze hatte sie tief in die Stirn gezogen und das verbleibende Gesicht bestand aus einem strahlenden Augenpaar, einer Nase, Wangen und einer Oberlippe. Gut schaust du aus, wirklich, sagte ich, und umarmte sie. Ein schönes Gefühl und ich bemerkte, wie ich mich nun bereits freute,mit ihr auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Ich klappte den Kragen ihrer Winterjacke herunter und küsste sie, während dessen ich ihr ins Ohr flüsterte, ob wir bei ihrem Aussehen ne Bank überfallen oder nur zum Weihnachtsmarkt gehen sollten. Puuh, prustete sie, komm lass uns gehen. Wir gingen. Der Markt war eine Viertelstunde zu Fuß von uns entfernt. Auf Seitenstraße begann Chrissy sodann einige mit Anlauf versehene Rutschübungen zu machen. Pass auf, dass du nicht hinfällst, rief ich ihr zu. Kann nichts passieren,erwiderte sie, du sagst doch selbst, ich hätte mehr Airbags als dein neues Auto. Dann ging sie neben mir und ich bemerkte,wie sie meine Hand suchte und fand. Obwohl wir beide Handschuhe trugen, war es so,als fühlte ich unmittelbar die Wärme ihrer Haut. Es war nicht viel Betrieb auf dem Weihnachtsmarkt. Wir schlenderten gemütlich von Bude zu Bude und ich stellte fest, dass, obwohl mich das Zeug eigentlich überhaupt nicht interessierte, ich doch hin und wieder einen Blick auf verschiedene Gegenstände und Preisschilder warf. Die Menschen drumherum nahm ich kaum wahr und auch die “Musik”,die mich sonst fürchterlich nervt, schien wie mit einem Schalldämpfer versehen. Ich fühlte mich wohl. Hier, hörte ich Chrissy plötzlich sagen, lass uns hier einen Glühwein trinken. Sie weiß, dass ich Glühwein nun überhaupt nicht mag, und als wolle sie mich überzeugen,sagte sie noch,der schmeckt gut hier. Ok – das tat er auch. Wir standen, prosteten uns zu und begannen über ein paar Mitbesucher zu lästern. Wir waren schlichtweg albern, lachten und ich hatte den Eindruck, der Glühweinverkäufer schaute uns mit zunehmender Zeit etwas merkwürdig an. Egal. Plötzlich zog Chrissy einen Handschuh aus und streckte ihren Arm und Zeigefinger in die Luft. Ich habe das zunächst gar nicht verstanden,bis ich bemerkte, dass sie eine Schneeflocke auf ihrer Fingerkuppe “landen” lassen wollte. Nach mehreren Versuchen gelang es ihr und sie drückte mir ganz zärtlich die zu einem Wassertropfen verwandelte Schneeflocke mitten auf die Stirn. Ich sagte nichts, oder besser, konnte nichts sagen. Chrissy, lass uns gehen. Sie hakte sich unter und wir gingen langsam und ohne viel zu sprechen nach Hause. Dort angekommen, ein wenig aufgewärmt, nahm ich sie in den Arm und sagte, danke,das war ein schöner Abend. Ja, das finde ich auch. Ach übrigens, soll ich die Winterjacke gleich anlassen…………..
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