Tränen lügen nicht
Oder doch? Oder vielleicht ein wenig? Oder wirklich gar nicht? Sind Tränen der Beweis der Wahrheit? Fragen über Fragen – und nichts genaues weiß man. Außer, dass ein gewisser Michael Holm in den siebziger Jahren mit dieser Behauptung, die er in die Töne einer abgekupferten Melodie verpackt hat, ordentlich Kohle machte.
Also, objektiv: natürlich können Tränen nicht lügen. Wie denn auch! Die Tränen sind nichts anderes als eine salzhaltige Flüssigkeit, die von speziellen Drüsen bei Menschen und Säugetieren abgesondert wird und dienen der Befeuchtung und Ernährung der Hornhaut – also nur der der Augen natürlich. Für die Füße sind Tränen völlig ungeeignet. Also: müsste man umformulieren: Drüsen lügen nicht – das wäre korrekt.
Irritationen entstehen natürlich durch das subjektive Moment persönlichen Empfindens. Tränen der Trauer, Tränen der Freude, usw. Die Grenzen sind im wahrsten Sinne des Wortes flüssig, und dienen nicht nur der Reinhaltung einer Hornhaut. Da gibt es auf der einen Seite, völlig unabhängig vom Geschlecht, Heulsusen, die so dicht ans Wasser gebaut haben, dass eine ständige Hochwassergefahr zu bestehen scheint, die selbst mit den dicksten Tränensäcken nicht abzudichten ist. Daher kommt auch der Begriff der Drainage, die den Wasserfluss ableiten kann. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, denen man keine einzige Träne nach weint. Dies zeigt sich insbesondere im sportlichen Bereich, weshalb man die Leiter der sportlichen Abteilungen auch Trainer nennt. Objektiv könnte man also sagen: Trainer lügen nicht.
Man muss auch zwischen den Vielfältigkeiten der Tränen als solcher unterscheiden. Tränen habe die Fähigkeit zu kullern, zu laufen, zu tropfen, zu fließen und sich in mannigfaltiger Weise der Schwerkraft hinzugeben, der auch sie unterliegen. Die Motivation, warum sich Tränen bilden (obwohl Tränen an sich ungebildet sind) ist sehr differenziert. Manche behaupten, sie hätten Tränen gelacht (was eine sehr schöne Form der Tränenbildung ist), andere – bevorzugt Frauen – weinen hin und wieder sogen. Krokodilstränen, was dadurch bedingt ist, dass der derzeitige Liebhaber ihr doch nicht das gewünschte Krokodilledertäschchen schenkt. Wieder andere gehen ständig weinend in einer Gegend spazieren, weil sie glauben, sich in einem Tal der Tränen zu befinden. Auch bei Abschieden, sei es überhaupt, von einem lieben Verwandten, oder von einem Arbeitgeber, fließen häufig Tränen, auch im Hinblick auf erblasserische oder abfindungsmäßige Gründen – weshalb ja oft auch der Begriff tränen-reich auftaucht.
Natürlich hat die Träne auch eine kulturelle Bedeutung. Eine symbolische Bedeutung wird ihr wegen des Salzgehaltes und der vermuteten Heilwirkung unterstellt – Harry Potter lässt grüßen. Die Musik ist voller Tränen und manch ein Schlager rührt zu selbigen, wobei man sich manches mal fragen muss, wo der Unterschied zwischen gerührt und gequirlt ist. Ein Herr Adamo (ein Sohn von Adam) sang einst: Es geht eine Träne auf Reisen – wohin, hat er uns nicht wissen lassen. Ich fürchte, die ist noch immer unterwegs.
Naja, manchmal ist einem ja wirklich zum Weinen zumute – das muss auch so sein. Aber “lachende” Tränen sind und bleiben immer die schönsten.
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Montag, 12. Juli 2010 21:19
Hey Hans, hab ich das hier mit einer multiplen Persönlichkeit zu tun??? Ich will meinen Romantiker wieder zurück!!! Nein Spaß beiseite. Auch hier beweist sich mal wieder deine Vielseitigkeit. Wie du jedesmal eine Idee umsetzt ist schon erstaunlich und bewundernswert. Ich würde dich zu gern mal kritisieren…ich hab noch nichts gefunden.
Liebe Grüße von Christina
Montag, 12. Juli 2010 21:39
Liebe Christina,
leider erkennst du nicht dieses gewaltige romantische Potenzial dieses Beitrages: Tränen fließen – das ist doch Romantik pur. Die Tränen als wesentlicher Bestandteil des romantischen Daseins, diese sich in Flüssigkeit zeigende, spür- und sichtbar werdende Gefühlstiefe. Und gerade aus den Tiefen der Drüsen, verpackt in adrenalinischer Seide, im Highlight der sich freiwebenden Schmetterlinge, die wie im Rausch der Gefühle zwischen Einbahnstraßen und Autobahnen nicht mehr unterscheiden können, dieses sanfte Gleiten auf der Tränenbahn, salzgestreut und -getränkt, das ist Romantik.
Mittwoch, 14. Juli 2010 8:28
Das man(n) aus Tränen soviel literarisches herausholen kann und sie im gleichen Atemzug so schön wissenschaftlich erklärt, das kriegst auch nur du so hin Hans. Der Kommentar an Christina ist schon wieder ein Highlight für sich. Adrenalinische Seide….Wahnsinn!!!!
Gruß und schönen Mittwoch von Klaus
Mittwoch, 14. Juli 2010 8:45
Ich werde bei dem nächsten Tränenfluss meiner Frau ganz cool bleiben. Das sind Drüsen…weiter nix
Gut zu wissen.
LG Bernd
Mittwoch, 14. Juli 2010 8:56
Du hast mich schon am frühen Morgen zum lachen gebracht. Adamo ist also der Sohn von Adam, wer hätte da gedacht. Irgendwer hat mal behauptet du seist unmöglich. Weiß nicht mehr wer, aber ich glaube das stimmt. Ich hab heute sehr viel über Tränen gelernt. Muss mit meinem Sohn noch ein ernstes Gespräch führen. Der ist fünf und muss jetzt langsam auch wissen, dass man Heulerei von einer ganz anderen Seite betrachten muss. Vielleicht halbiert er dann sein Tagespensum
Ich wünsch dir einen tollen Tag.
Herzlichen Gruß von Andrea
Donnerstag, 15. Juli 2010 11:11
…und für lachende Tränen hast du mit diesem Artikel gerade wieder gesorgt.
Liebe Grüße
von Karla
Sonntag, 18. Juli 2010 17:49
Ich werd irre!Wenn es adrenalinische Seide gibt,gibt es sicher auch noradrenalinischen Loden???Oder???Was hab ich nur alles bei meiner “Lehrzeit”verpasst!War sicher eine Leerzeit?!Lächelnde Grüße von Helga