Karriere
Donnerstag, 10. Februar 2011 13:29
Vor einigen Jahren. Völlig unerwartet zeigte mir der Körper die rote Karte und stellte mich vehement vom (Arbeits-) Platz. Ein Krankenhausaufenthalt folgte dem anderen. Etliche Chirurgen bedienten sich meines Körpers, die Innenansichten mehrerer Krankenhäuser und Kliniken wurden mir immer vertrauter, bis man mich schließlich entließ und wegen meine traurigen, abgemagerten Gestalt, zu einer Reha schickte.
Im Hinblick auf das diffuse Krankheitsbild, war es wohl schwierig, die richtigen “Anwendungen” für mich zu finden. Massagen sind eigentlich nie verkehrt, aber warum gerade ich einen Kurs: “Gesund ernähren – gesund abnehmen” besuchen sollte blieb mir ein Rätsel. Immerhin: Ich lernte, dass ein Stückchen Schwarzwälder Kirschtorte ca.85o kal hatte. Initialzündung bei mir. Noch am gleichen Tag suchte ich in dem Städtchen ein gemütliches Cafe auf und setzte vorsätzlich das in dem Ernährungskurs erlangte Wissen um: Kännchen Kaffee und ein StückTorte. Ich genoss es – täglich. Beim dritten Besuch musste ich schon gar nicht mehr bestellen; mit einem freundlichen Lächeln wurde mir Kaffee und Kuchen gebracht.
Eines Nachmittages kam eine Gruppe junger Leute in das Cafe und nahm an meinem Tisch Platz. Einige kannte ich von der Kurklinik. Ich unterhielt mich zu diesem Zeitpunkt mit einem am Nachbartisch sitzenden Mann, bemerkte aber nach kurzer Zeit, dass mich eine junge Frau aus dieser Gruppe ständig anschaute. Ich fühlte mich irgendwie beobachtet. Die Unterhaltung mit dem Nachbar war belanglos und dennoch schien es so, als verfolge sie intensiv dieses Gespräch. Ich wurde unsicher; überprüfte unaufällig, ob das Hemd farblich kompatibel zur Jacke war, oder ob ich zwischenzeitlich wohl gekleckert haben könnte -nein, alles schien in Ordnung. Und dann plötzlich hob sie den Kopf, sah mich an und sagte: Mensch hast du eine geile Stimme. Meinst du mich, sagte ich, aber auch nur deshalb,weil mir sonst nichts einfiel. Ja, natürlich, du musst unbedingt zum Radio, unbedingt, verstärkte sie ihre Aussage. Und dann sprudelte sie los. Sie sei angestellt beim WDR und wisse, wovon sie rede. Kulturabteilung, Hörbuch, genau. Sie sei sich sicher,wenn ich dort anrief, fiele denen der Hörer aus der Hand. Ich selbst war mir aber gar nicht so sicher, mehr unsicher. Wir unterhielten uns noch etwas, und ich hatte plötzlich den Eindruck als spreche ich langsamer und noch einen halben Ton tiefer.
Zuhause. Noch Wochen danach musste ich an dieses Gespräch denken; es ging mir nicht aus dem Kopf. Ich und Radio – hallo? Und plötzlich erinnerte ich mich, dass ich als Jugendlicher hin und wieder Nachrichten auf das gute grün-graue Grundig Tonbandgerät plapperte. Fügung? Nein, Quatsch. Aber man könnte doch mal, warum nicht? Rein vorsorglich suchte ich dann doch schon mal die Telefonnummer des Heimatsenders heraus. Das war ja schon recht mutig – und dabei blieb es dann zunächst auch. Ein paar Tage später bedrängte mich der Geanke, dass man es doch nur mal so zum Spaß versuchen könne. Sicher, aber was sage ich denen denn. Das muss ja doch schon Hand und Fuß haben. Also setzte ich mich hin und notierte zunächst in Stichwörtern einen Text. Zur Seite gelegt. Warten. Nein, Stichwörter sind keine Visitenkarte. Da muss schon ein fließender Text her. Den fabrizierte ich auch. Wenn ich gut drauf bin, rufe ich da wirklich mal an, sagte ich mir, um mir selbst Mut zuzusprechen – aber ich hatte keinen. Ein paar Tage später glaubte ich, Mut zu haben und wählte immerhin schon mal die Nummer. Im Wust der Zeitungen auf meinem Tisch war jedoch der vorgefertigte Text nicht zu finden. Siehst du, es soll halt nicht sein! Und doch: am nächsten Tag, nächster Versuch. Wählen, Zettel in der Hand, und ich vernahm ein freundliches Hallo. Guten Tag, mein Name ist…….und ich erklärte mit betonter Sprechweise und Stimme mein Anliegen. Ausführlich. Hallo, hörte ich dann mittendrin die Stimme am anderen Ende der Leitung, niemand da, bin Putze hier. Kannst du Morgen noch mal………..
Danke. hörte ich mich noch sagen – und ein Morgen gab es auch nicht. Beginn und Ende meiner Radio-Karriere. Wie das Leben so spielt.
Thema: Allgemein | Kommentare (3) | Autor: Hans